Illustration zu dem Buch "Philosophie der Grenze", S. 8,

Illustrationen zu dem Buch „Philosophie der Grenze“

Ausstellung „Grenzen der Philosophie“

Mit den anlässlich der TanzMomente gezeigten Tanzfotografien und Collagen wurde das Buch von Schellhammer, Barbara / Schützle, Lena (Hg.) „Philosophie der Grenze“, illustriert. Der Verlag stellt das ganz Buch unentgeltlich zum Download bereit.

Die Fotos werden darüber hinaus am Mittwoch, 30. November 2022, 18:00 Uhr, anlässlich der Buchpräsentation des Buches „Philosophie der Grenze“  an der Hochschule für Philosophie München / Philosophische Fakultät SJ, Kaulbachstraße 31/33 in D-80539 München, erneut ausgestellt und sind dort dann für ca. 3 Monate zu sehen.

Anmeldung zum Workshop und/oder zur Buchpräsentation bis zum 01.11.2022 unter https://eveeno.com/interculturalsocialtransformation

Peter Hoffmann-Schoenborn in „Grenzen der Philosophie“

Anstelle eines Vorworts….

Ein wissenschaftliches Buch „voller Gedanken“ über GRENZEN in all seinen Facetten ausgerechnet mit Tanzfotos zu bebildern – was soll das denn? Und dann auch noch diese Mischung von „schwer lesbaren“ dekonstruktivierten Fotos mit jenen, deren Motive sich in einem eher kühlen Farbton „abbildend“ offenbar eindeutig erschließen?

Mit welchem Motiv wird man der Umschlaggestaltung eines Buches über das eigentlich abstrakte Thema GRENZEN gerecht? Ein abstraktes Motiv in der Sprache eines Kandinsky oder Malewitsch, auslegbar in freier Assoziation durch die jeweils Betrachtenden? Oder doch eher figürlich – ein Grenzpfosten stellvertretend, aber letztlich doch verkürzend, für politische Grenzen, Grenzen der Sprache, des Menschlichen…? Oder die Darstellung einer Brücke als ein die Grenzen überwindendes, verbindendes Symbol, so wie dieses auch auf den Euro-Banknoten gemeint ist?

Seit einiger Zeit widme ich mich der Tanzfotografie und begleite TänzerInnen und ChoreographInnen bei ihren Proben und Aufführungen oder realisiere mit diesen eigene Fotoprojekte. Und so las sich dieser „Call for Papers“ der Herausgeberinnen für dieses Buch für mich sofort wie das Script einer äußerst anspruchsvollen Tanzchoreographie. Schon die Eingangssätze „Der Mensch ist ein Grenzwesen. Er stößt an Grenzen, reibt sich an Grenzen und geht über sie hinaus“ ließen mich unwillkürlich an den Ausdruckstanz denken und so lesen sich diese nicht so sehr viel anders als die Sätze der Tänzerin und Choreographin Anna Huber: „In meinem Solo … wurden die körperlichen und mentalen Grenzen in Bezug zu den räumlichen Grenzen thematisiert und mit den Körpergrenzen die Frage nach dem Ich und wie sich Identität entwickelt und definiert. Die Grenzen des Körpers ganz konkret, die physische Ausdehnung, der Bewegungsradius von Finger- bis Zehenspitzen und darüber hinaus, innere und äußere Grenzen, reale und imaginäre Grenzen und Gratwanderungen dazwischen.“ (1)

Diese „Gratwanderungen dazwischen“ sind Gegenstand meiner fotografischen Erkundungen – weniger die ästhetisch vollkommenen „Bilder“ einer perfekten Schwanensee-Choreographie als vielmehr die Beschäftigung mit dem bzw. am „Rand der Körper“(2)! Exemplarisch für diese Suche das diesen Ausführungen vorangestellte Foto eines in Auflösung befindlichen dystopischen Raumes mit der zwar zunächst statisch erscheinenden, aber dennoch ekstatisch verformten, im Tanz die Grenzen der Körperlichkeit, des Raumes und der Sehgewohnheiten sprengenden Skulptur. Die auf diesem Foto abgebildete Tänzerin Nina Melcher äußert sich in Bezug auf „ihren“ Tanz: „Ich erfahre mich in den Grenzen meines Körpers und mein Körper erfährt sich in der Unbegrenztheit meiner inneren Universen. Der kreative Prozess des Tanzens bedeutet für mich die authentische Hingabe an den Moment, das Loslassen von Selbstlimitierung.“(3)

Dieses Loslassen von Selbslimitierungen, die authentische Hingabe an den Moment lässt Grenzüberschreitungen in einer universellen Sprache – ähnlich der Musik – auch jenseits aller Grenzen im Sinne von „frontiers“ oder aber auch zur Überwindung der „the limit of language“ – wie eines der Kapitel in diesem Buch überschrieben ist – sinnlich erleben. Der Tanz in Verbindung „mit einer rituellen Ekstase, einem veränderten Bewusstseinszustand und damit einhergehend einer ,Seelenreise´ in geistige Welten“(4) im spirituellen Sinne steht der über alle sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg identitätsstiftende Tanz der Sklaven, die diese – angekettet auf den Schiffen – für die Weißen vorführen mussten und in dessen originärer Tradition der heute als Selbstvergewisserung einer globalen Jugendkultur stehende Streetdance, Urban Dance, Breakdance oder Hip-Hop steht. Es ist kein Wunder, dass diese in jedweder Hinsicht grenzüberschreitenden Facetten des Tanzes auch Gegenstand eines tiefgreifenden wissenschaftlichen Diskurses sind. Der Titel eines in diesem Zusammenhang erschienenen Sammelbandes „Moving (Across) Borders“(5) lässt sich durchaus auch als Anleitung zum Lesen der die Kapitel des vorliegendes Buches einleitenden Fotos lesen – vielgestaltig in der Form, vielfältig und „bedeutungsschwer“ die Inhalte der nachfolgenden Essays. So ist der irdische Raum des das Kapitel „Grenzen der Philosophie“ einleitenden Fotos ein Planetarium, in dem sich der Tänzer wiederum dem „Überirdischen“ hinwendet. Die „Grenzen des Menschlichen“ – eine Tänzerin, verschmelzend mit den Maschinen, Apparaten, mit diesen verwoben – einzig tröstend und als Zeichnung der Hoffnung das sich der Maschinenwelt widersetzende organisch und farbig durchziehende Tuch – ein Faszinosum und ein gar nicht so neues Thema, wer mag da nicht an Maria, die ikonenhafte Maschinenfrau aus dem Film Metropolis oder an Olympia aus Hoffmanns Erzählungen denken….! „Politische Grenzen“ – die ganze in Gestik und Mimik ausgedrückte Verzweiflung angesichts der aktuellen Versuche, bestehende Grenzen gewaltsam zu verrücken oder aber diese als Flüchtling zu überwinden….

Die darüber hinaus das Buch begleitenden Fotos beschäftigen sich ebenfalls mit Grenzen jedweder Art (Grenzen der Körperoptimierung, „grenzenloses“ Leid, Grenzüberschreitungen durch Gewalt, Grenzüberwindung durch „Überschreitung“), stellen neben dem künstlerischen aber auch den fotografischen Aspekt in den Fokus: „Richten wir den Blick auf den Tanz durch die Linse der Fotografie. Der Tanz braucht den Fluss. Ohne Kontinuität in Raum und Zeit kann er sich nicht entfalten. Er ist tendenziell randlos. Die Fotografie aber muss dem Randlosen Grenzen setzen. Nichts weniger als der Griff nach dem Unfassbaren steht auf dem Spiel. In der Konfrontation mit dem Fleisch des Tanzes wirkt die Fotografie in der Geste des Auslösens radikal: Sie versteinert mit eiserner Hand.“(6) Deutlich wird diese „Versteinerung“ am Bild der Tänzerin, welche in Form eines dreizackigen Sterns eine ideale und in sich ruhende Form bildet – der aufwirbelnde Staub jedoch lässt ahnen, dass sich diese perfekte Form auch wieder an der Grenze des Kippens, des Ungleichgewichts und letztlich der Auflösung befindet.

Das „Versteinern“ einer Bewegung mit „eiserner Hand“, die Gratwanderungen „am Rand der Körper“ mit den Mitteln der Fotografie – meine Themen, mein Beitrag zu diesem Buch!

  1. Gabriele Brandstetter und Anna Huber, „Körper-Grenzen, Zeit-Ränder“, Cahiers d’Études Germaniques [Online], 78 | 2020, Online erschienen am: 28 Oktober 2021, abgerufen am 31 März 2022. URL: http://journals.openedition.org/ceg/9654; DOI: https://doi.org/10.4000/ceg.9654
  2. Susanne Foellmer, „Am Rand der Körper“, transcript Verlag Bielefeld, 2009
  3. Nina Melcher, Mitteilung an den Verfasser v. 25.02.2022
  4. Wikipedia, „Trancetanz“, abgerufen am 01. März 2022. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Trancetanz
  5. Gabriele Brandstetter, Holger Hartung (eds.), „Moving (Across) Borders“, critical dance studies, transcript Verlag Bielefeld, 2017
  6. Isabelle Drexler, „Der Körper im Moment des Auf/Auslösens“, Fotografie und Tanz, Paderborn 2016, S. 11
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